Sind Erkenntnisse der Quantenmechanik für psychologische Konzepte relevant?

Sie ahnen bereits, dass ein kurzer Vortrag wohl keine erschöpfende Antwort geben kann auf die Frage aller Fragen. Er kann lediglich den Versuch unternehmen, einige interessante Aspekte herauszugreifen, manche Anregungen zu geben und so lassen Sie uns zu einem Ausflug in die Welt der kleinsten Teilchen, in die Welt der Quantenphysik aufbrechen.

Als absoluter Laie habe ich versucht die Zusammenhänge halbwegs zu durchschauen und Möglichst verständlich, daher auch simplifizierend darzustellen.

Alles beginnt wie immer bei den alten Griechen. In einem ihrer Schöpfungsmythen heißt es:

Vor dem Anbeginn der Zeit war das Chaos, ein gähnender Schlund ohne Anfang und ohne Ende. Finster waren die Nebel, aus denen es bestand, und doch lagen schon in ihnen die Urbestandteile allen Lebens: Erde, Wasser, Feuer und Luft.

Heute dringt die Wissenschaft und besonders die Physik ins Innere der Materie vor und ins Äußere des Universums. Die wunderbare Welt der Quantenmechanik ist aber interessanterweise, dem Erleben näher, als dem Wissen, da die Forschung an ihre Grenzen stößt, ans Philosophische verweist und zur Weisheit der alten Mythen zurück kehrt.

Definitiv aber hat die Physik herausgefunden, dass wir nicht alles wissen können! Wir müssen uns also von unserer mechanistisch, materiellen Denkweise lösen und völlig neue Ansätze finden. Aber lassen Sie mich ein wenig ausholen, um die relevanten Kernaussagen der Quantenmechanik verständlich zu machen.

Die moderne Naturwissenschaft hatte in den letzten Jahrhunderten den Ehrgeiz, immer genauer, immer detaillierter hinzuschauen, zu messen, um alle Merkmale eines Objektes immer genauer zu bestimmen, ganz im Sinne des, in unseren Köpfen immer noch vorherrschenden, Newton’schen Weltbildes. Sie möchte das Universum erklären, wissen, woraus die Welt besteht und wie sie funktioniert. Aber wie erkläre ich etwas, was eigentlich nicht erklärbar ist, denn in der Welt der kleinsten Teilchen regieren die Gesetze der Wahrscheinlichkeit und des Zufalls. Unser Universum besteht aus Materie und der Information, wie diese Materie anzuordnen sei. Wirklichkeit und Information sind nicht voneinander trennbar.

Die Forscher des 20.Jahrhunderts haben herausgefunden, dass Atome die Bausteine der Materie sind, dass diese wiederum aus Teilchen bestehen aus Elektronen, Protonen und Neutronen. Und sie haben entdeckt, dass einige von diesen sich wiederum aus weiteren noch kleineren Teilen, den Quarks, zusammensetzen. Alle diese Teilchen eines Atoms werden durch elektromagnetische Kräfte, aufgrund unterschiedlicher Ladungen, zusammengehalten. So weit, so klar.

Plötzlich aber war da eine fundamentale Grenze, die besagte, dass wir laut Heissenberg ́scher Unschärferelation niemals alle Informationen erlangen können, die ein Elektron vollständig charakterisieren. Das bedeutet, wir können entweder wissen wo ein Elektron sich befindet oder wissen mit welcher Geschwindigkeit es sich bewegt, jedoch niemals beides gleichzeitig. Wir können also nie alles wissen!

Die von Heisenberg eingeführten Unschärfen können bei allen Objekten unseres täglichen Lebens vernachlässigt werden, aber sie sind da! Hier drängt sich natürlich eine Frage auf: Folgt die Alltagswelt auch den Gesetzen der Quantenphysik, gelten diese Gesetze auch im Makrokosmos? An diesem Nachweis arbeiten die Physiker derzeit fieberhaft und haben in dieser Richtung auch schon einige Erfolge zu verbuchen. Sicher gibt es keine 1:1 Entspechung.

Besonders interessant erscheint mir in diesem Zusammenhang der sogenannte Casimir- Effekt, benannt nach seinem Entdecker, dem niederländischen Physiker Hendrik Casimir, der davon ausgeht, dass das absolute Nichts, also das Vakuum, eine pulsierende Wahrscheinlichkeit bedeutet, potentielle Energie, in der zufällig immer wieder Teilchen entstehen. Im Experiment werden zwei leitende Metallplatten im Vakuum durch die Bewegung der entstehenden Teilchen langsam aneinander gedrückt. Durch die Existenz der beiden Platten ändert sich das Vakuum, es wird leerer und es kann einen Druck ausüben und zwar durch die Schwankungen, die sich in ihm abspielen. Die Quantenmechanik sagt uns, dass selbst dort wo nichts ist, es immer noch Vorgänge gibt, die als Vakuumfluktuation bezeichnet werden. Schwankungen des Nichts, die sich in Teilchen-Antiteilchen Paaren realisieren und dann wieder zu Nichts werden. Es findet also ein Wechsel statt von Energie zu Materie und dann wieder zu Energie. In diesem Phänomen findet sich keine unserer Alltagserfahrungen. Es könnte aber in Zukunft sogar als Energiequelle dienen, im Sinne eines Perpetuum mobile. Also ist das Nichts ein Zustand aus dem etwas entstehen kann. So untermauert die Quantenmechanik die alten Schöpfungsmythen : Alles entsteht aus dem Nichts.

Es geht also um das absolute Nichts, das eine Kraft ausübt, diese Vakuumfluktuation scheint auch dafür verantwortlich zu sein, dass sich das Universum nicht auf Grund von Gravitationskräften zusammen zieht, sondern im Gegenteil immer weiter expandiert.

Das gibt uns schon einiges zu denken, aber es wird noch mysteriöser,wenn wir uns über den Charakter des Lichts Gedanken machen. Wir erleben dieses geheimnisvolle Phänomen der Quantenwelt als ganz selbst verständlich :
Ohne Licht kein Leben, aber seine Substanz bleibt rätselhaft.

So schreibt Br. Goethe in seinen Maximen und Reflexionen :

Licht und Geist, jenes im Physischen, dieser im Sittlichen herrschend, sind die höchsten denkbaren unteilbaren Energien.

Licht besteht aus Photonen; Lichtquanten, die völlig anders sind als alle Objekte unserer alltäglichen Erfahrung, denn ihre Bewegungen lassen sich nicht vorhersagen.

Bereits 1802 führte Thomas Young sein berühmtes Doppelspaltexperiment aus, welches den Wellencharakter des Lichts beweisen sollte. Wenn man Licht durch einen Doppelspalt auf einen Bildschirm projiziert, beobachtet man helle und dunkle Streifen, die etwa wie die bekannten Strichcodes aussehen, was wie Young meinte entsteht, weil Wellen, die im gleichen Takt schwingen sich verstärken und damit die hellen Streifen bilden, und Wellen sich in ihrer Frequenz aufheben, das sind die dunklen Streifen.

Wenn Licht eine Welle ist, braucht es allerdings ein Medium um sich fortzupflanzen, wie wir das vom Wasser kennen, wenn wir einen Stein hineinwerfen und konzentrische Kreise entstehen. Nur in welchem Medium soll sich dann das Licht fortpflanzen, welches Medium hat das Licht im Vakuum? Dies konnte die Wellentheorie des Lichts nicht erklären.

Einstein postulierte 1905, zum Erstaunen der Wissenschaftswelt, dass Licht ein Teilchen sei und sprach von Lichtquanten und stellte in diesem Zusammenhang eine kühne Vermutung an :
Nämlich, dass das Licht ebenso aus Teilchen besteht wie beispielsweise ein Gas aus Molekülen und dass es sich entsprechend verhält. Damit konnte Einstein auch den fotoelektrischen Effekt erklären, dass Licht nämlich, wenn es auf eine Metallplatte gerichtet wird, Elektronen aus dieser herausschlägt, was als Strom gemessen werden kann. Wenn also Licht aus Teilchen besteht, können diese sogenannten Photonen die Elektronen aus dem Metall herausschlagen und zwar umso mehr, je höher die Frequenz des Lichtes ist. Für diese Entdeckung erhielt Einstein 1922 im Übrigen den Nobelpreis für Physik.

Nun galt es aber auch das Doppeltspaltexperiment im Sinne der Teilchentheorie des Lichtes zu erklären und Einstein kam zu einem wirklich erstaunlichen Ergebnis. Wenn man hinter dem Doppelspalt einen Photonendetektor aufstellt, verschwinden die Interferenzstreifen. Die Messung beeinflusst also den Quantenzustand des Photons, so dass es sich anders verhält, als wenn dort kein Detektor angebracht wäre. Anders gesagt: Quanten verhalten sich wie eine Welle, bis zu dem Augenblick, wo ein Beobachter sie misst. In diesem Moment kollabiert die Welle und die Welt der Quanten erstarrt. Durch die Messung, d.h. durch Information, verschwinden diese Interferenzstreifen!!!!

Verändert sich die Welt also tatsächlich durch Beobachtung? Befindet sich alle Energie in einer Art Schwebezustand, beschrieben durch Wellenfunktionen?
Das würde bedeuten, dass sich auf Grund einer Messung die Wellenfunktion im gesamten Universum plötzlich ändert. Ein wirklich kaum vorstellbarer Gedanke und doch…

Aber es wird noch erstaunlicher, wenn wir uns das Phänomen der Verschränkung näher anschauen und der Frage nachgehen: Können Quanten ohne Zeitverzögerung miteinander kommunizieren, selbst wenn sie Lichtjahre voneinander entfernt sind ?
Wenn man in einer sog. Ionenfalle im Vakuum zwei Photonen mit Laser beschießt und sie dadurch so viel Reibungsenergie abgeben, dass sie zum absoluten Stillstand kommen und dann eines der beiden Teilchen mit Laser beschießt, wird es irgendwann das zweite Teilchen anstoßen, ihm einen Impuls geben, das heißt sich mit ihm verschränken. Dies gelang übrigens erstmals 1997 an der Universität Innsbruck.

Es wurde nun im Experiment eines der verschränkten Photonen bis zu 70 km vom anderen entfernt, und eines von beiden einem Impuls ausgesetzt. Und hier setzte die „spukhafte Fernwirkung“, wie Einstein sie nannte, ein: Auch das zweite Teilchen zeigte die entsprechende Reaktion. Experimente in Cern 2008, haben ergeben, dass der Informationsaustausch verschränkter Teilchen mit 10.000facher Lichtgeschwindigkeit stattfindet. Das heißt, dass durch Verschränkung Information in unvorstellbarer Geschwindigkeit teleportiert werden kann, nicht jedoch Materie. Diese Veränderung passiert auch, wenn eines der Teilchen gemessen wird.

Heute im 21. Jahrhundert sind die Wissenschaftler fieberhaft auf der Suche nach einer Formel, mit der sie die merkwürdigen Eigenschaften der Elementarteilchen genauso berechnen können, wie die Bewegung ganzer Galaxien. Eine Formel, die die Quantenmechanik und Relativitätstheorie verbindet und den subatomaren Mikrokosmos genauso beschreibt wie die Bewegung der Planeten und des Kosmos.

Sie sind dabei auf Teilchen gestoßen, die tatsächlich die Welt im Innersten zusammenhalten, nämlich die sogenannten Bosonen. Licht, also ein Photon, mit der Ruhemasse null, ist beispielsweise so ein Boson. Diese Teilchen können beliebig stark zusammengedrückt werden, daher gibt es so stark gebündeltes Licht, wie wir es aus der Lasertechnik kennen. Bosonen halten Atomkerne zusammen, und sorgen auch für deren Zerfall. Für die Kraft der Gravitation geht die Forschung ebenfalls von Bosonen, sogenannten Gluonen aus, die bisher experimentell jedoch nicht nachgewiesen werden konnten. Ihnen stehen die Fermionen gegenüber, die sich gegenseitig abstoßen, somit nur begrenzt zusammen gedrückt werden können und damit für die Festigkeit der Materie verantwortlich sind.

So sind sowohl Materie als auch Kräfte auf Elementarteilchen zurück zu führen, die sowohl Wellen- als auch Teilcheneigenschaften besitzen. Seit Albert Einstein wissen die Physiker, dass die Raumzeit und die Gravitation zusammenhängen. Einstein beschrieb die Schwerkraft als einen Effekt, der durch die Verkrümmung von Raum und Zeit entsteht.

Nach quantenmechanischem Verständnis bilden Raum und Zeit kein Kontinuum, sondern erscheinen in winzigen, körnigen Einheiten, sogenannten Quanten, die pulsieren. Raum und Zeit bilden nicht den Rahmen für unsere tägliche Wirklichkeit, was mit unserem mechanistischen Verständnis ja noch vorstellbarer ist, sondern sie sind selbst Akteure in diesem Szenario. Wenn quantenmechanische Erkenntnisse weiter gedacht werden, müssen auch Raum und Zeit in ihrer Beschaffenheit und ihren Eigenschaften vom Beobachter abhängen. Dies erfordert eine neue Sichtweise, die wir heute noch nicht haben. Quantenphysiker, wie Anton Zeilinger, gehen davon aus, dass die Konzepte von Raum und Zeit in Zukunft wahrscheinlich aufgegeben werden müssen, um die Gravitation zu verstehen.

Nun habe ich mich natürlich gefragt, welche Schlüsse wir als Psychologen aus diesen Erkenntnissen ziehen können.
Wir gehen von der Idee aus, dass wir an uns selber arbeiten können, unsere Persönlichkeit entwickeln können, damit ein besseres Leben haben können, aber auch im besten Falle damit die Welt ein Stück weit beeinflussen, ja verändern können. Man mag dies für idealistische Spinnerei halten, denn sogar Einstein war noch der Meinung, dass die Welt von uns unabhängig existiere und wir sie nur beobachten können. Aber die Quantenmechanik bestärkt uns in der Idee, dass wir allein durch unser Denken und Handeln also durch Information, die Wirklichkeit verändern können.

Wir sind nicht die passiven Zuschauer eines Theaterstückes, es ist vielmehr so, dass unsere Beobachtung die beobachteten Eigenschaften eines Systems erst realisiert, zumindest wissen wir das auf Quantenebene. Die physikalische Forschung geht genau in die Richtung, die Frage zu klären, ob das alles auch in unserer erlebaren Welt gilt, denn offenbar hat das, was wir über die Welt sagen können einen wesentlichen Einfluss darauf, was Wirklichkeit ist. Schrödinger stellte die Behauptung auf :

Ohne Bewusstsein existiert nichts auf dieser Welt. Alles Erdenkliche ist immer und ausschließlich über ein menschliches Bewusstsein gelaufen.

Das heißt es ist entscheidend, was und wie wir denken, worauf wir den Fokus unserer Aufmerksamkeit richten, ob wir das Positive wahrnehmen und verstärken, ob wir respektvoll und liebevoll miteinander umgehen, ob wir offen sind für Neues und Fremdes und vieles mehr.

Gehen wir nur kurz noch zum Anfang unseres Universums, zum Big Bang:
Es war vor dem Urknall keineswegs alle Information, die in unserem Universum existiert, bereits vorhanden, es scheint vielmehr so zu sein, dass sich das Universum in jedem Moment selbst neu kreiert. Der Urknall war der Zustand höchster Ordnung d.h. niedrigster Entropie und von dort an entwickelt sich unser Kosmos immer schneller in Richtung Chaos.

Diese Welt läuft also in eine Richtung ab von gestern nach morgen, altern ist ein Teil der Welt. Wenn ein Glas auf den Boden fällt, zerspringt es in viele Teile, niemand hat jemals Splitter gesehen, die sich zu einem Glas zusammenbauen.
Sterne, wie unsere Sonne brennen aus, blähen sich zu roten Riesen auf, die alle Materie um sich herum durch Gammastrahlung vernichten, werden dann zu weißen Zwergen und enden irgendwann als schwarze Zwerge. Das Universum wird in ferner Zukunft den Kältetod sterben, es wird keine Materie mehr in ihm geben, somit keine Veränderung und dies bedeutet auch das Ende der Zeit.

Umso mehr müssen wir die Gegenwart nützen und gestalten, denn jeder Augenblick den wir ungenützt vergehen lassen, ist unwiederbringlich verloren, jede Chance etwas Gutes, Sinnvolles, Schönes zu tun, gibt es in dieser Form gerade in diesem Moment und dann nie mehr.

Physiker glaubten für Jahrhunderte, dass sich jedes physikalische Ereignis genau voraus berechnen ließe: Der Zerfall radioaktiver Atome kann zwar statistisch vorhergesagt werde, eine Voraussage für das einzelne Atom ist aber nicht möglich, der Zeitpunkt seines Zerfalls ist rein zufällig. Das könnte auch bedeuten, dass für uns nichts vorgegeben ist. Wir haben mit unserem Denken und Handeln immer Einfluss darauf, was in unserer Welt passiert und wie der nächste Entwicklungsschritt aussieht. Wenn wir dies akzeptieren, ergibt sich daraus aber folgerichtig eine sehr große Verantwortung, weil jede unserer Handlungen, ja sogar jeder unserer Gedanken, es ist nicht übertrieben zu sagen, den Lauf der Welt verändert.

So führen uns die Ergebnisse der Quantenphysik hoffentlich immer weiter hinein in eine humanistische Haltung und bereichern unsere Reflexionen über uns und unser Dasein in dieser Welt.